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16.9.2025

Prof. Dr. Johannes Gräff

Epigenetik – Jenseits der Mendelschen Genetik?

 

Die klassische Genetik, wie sie seit Gregor Mendel im 19. Jahrhundert entwickelt wurde, beschäftigt sich mit der Vererbung genetischer Information. Sie betrachtet die DNA als Trägerin der Erbinformation, die in Form von Genen in den Chromosomen gespeichert ist. Doch seit einigen Jahrzehnten wissen wir, dass es nicht nur darauf ankommt, welche Gene vorhanden sind, sondern auch darauf, wie und wann sie abgelesen werden. Damit befasst sich die Epigenetik: Sie untersucht die Mechanismen, die die Aktivität von Genen steuern, ohne die zugrunde liegende DNA-Sequenz zu verändern. Die DNA liegt im Zellkern nicht frei vor, sondern ist um Histone gewickelt. Diese DNA-Protein-Komplexe heissen Nukleosomen und bilden in verdichteter Form die Chromosomen. Epigenetische Prozesse wirken an dieser Verpackung: Einerseits durch DNA-Methylierung, bei der bestimmte Basen chemisch markiert werden, andererseits durch Modifikationen der Histone, die die Zugänglichkeit der DNA beeinflussen. Gene in einer offenen, weniger verdichteten Struktur können abgelesen und transkribiert werden, während andere durch Methylierung oder enge Verpackung stummgeschaltet bleiben. Ein anschauliches Beispiel: Jede Zelle im Körper besitzt denselben genetischen Bauplan. Dennoch unterscheiden sich Nervenzellen und Hautzellen fundamental. Die Erklärung liegt in epigenetischen Mechanismen, die bestimmen, welche Gene aktiv sind. Diese Prozesse sind nicht starr, sondern dynamisch und können auch durch Umweltfaktoren beeinflusst werden.

Forschungen von Michael Meaney an Ratten zeigten eindrücklich, wie mütterliches Verhalten epigenetische Spuren hinterlassen kann. Nachkommen liebevoller Mütter wiesen weniger DNA-Methylierungen in Stress-relevanten Genen auf, was sie stressresistenter machte. Dagegen entwickelten Nachkommen vernachlässigender Mütter eine erhöhte Stressanfälligkeit, Ängstlichkeit und depressive Züge. Ähnliche Befunde gibt es auch beim Menschen: Studien am Hippocampus deuten darauf hin, dass frühkindliche Erfahrungen dauerhafte epigenetische Veränderungen hervorrufen können. Tim Oberländer konnte zeigen, dass Depressionen durch frühe Prägungen an die nächste Generation weitergegeben werden können. Damit stellt sich die Frage nach inter- und transgenerationalen Effekten. Intergenerational ist eine direkte Weitergabe von Effekten durch direkte Exposition (z. B. Mutter, Fötus und Keimzellen des Fötus sind gleichzeitig betroffen). Transgenerationale Effekte treten in Generationen auf, die nicht direkt der ursprünglichen Exposition ausgesetzt waren. Während intergenerationale Einflüsse gut dokumentiert sind, ist die echte transgenerationale Vererbung umstritten. Michael Skinner zeigte in Tierversuchen, dass Pestizidexposition epigenetische Veränderungen in Keimzellen hervorrufen kann, die in der dritten Generation zu Tumoren führten. Isabelle Mansuy fand Hinweise darauf, dass frühkindlicher Stress epigenetische Spuren bis in die F3-Generation hinterlässt. Beim Menschen liegen dafür bislang allerdings keine eindeutigen Beweise vor. Dennoch gibt es epidemiologische Daten, die auf generationsübergreifende Effekte wie veränderte Langlebigkeit oder ein erhöhtes Diabetesrisiko hindeuten. Diese Befunde werfen die Frage auf: Sind wir durch Epigenetik vorbestimmt? Prof. Gräff betonte, dass Epigenetik kein starres Schicksal bedeutet. Vielmehr sind epigenetische Mechanismen hochdynamisch, sie wirken wie ein Januskopf, der einerseits Stabilität, andererseits Flexibilität bietet. Auch im Bereich des Gedächtnisses spielt Epigenetik eine zentrale Rolle. Schon Francis Crick stellte die Frage, wie Erinnerungen über Jahre bestehen bleiben können, obwohl die meisten Moleküle im Gehirn nur kurze Halbwertszeiten besitzen. Elektrophysiologische Signale und Rezeptoren allein können dies nicht erklären. Neuere Forschungen, etwa von David Sweatt, zeigen, dass epigenetische Veränderungen wie die Acetylierung von Histonen Gedächtnisspuren stabilisieren. In Tiermodellen blieben solche Veränderungen noch 30 Tage nach dem Lernen nachweisbar, beim Menschen entspräche das etwa 12,5 Jahren. Epigenetik fungiert somit wie ein Lesezeichen im Gedächtnis. Dies hat klinische Bedeutung, zum Beispiel bei posttraumatischen Belastungsstörungen, die durch besonders stabile epigenetische Veränderungen gekennzeichnet sind. Alte Erinnerungen scheinen weniger plastisch, während neue stärker veränderbar sind. Experimentell konnte gezeigt werden, dass HDAC-Inhibitoren, die die Histonacetylierung fördern, in Kombination mit Expositionstherapie die Behandlung von Phobien unterstützen können, etwa bei Arachnophobie. Zusammenfassend zeigt die Epigenetik, dass Gene nicht nur ein unveränderlicher Bauplan sind. Vielmehr wirken Umwelt, Erfahrungen und Verhalten auf molekularer Ebene zurück, indem sie epigenetische Muster prägen. Diese können das Leben eines Individuums beeinflussen und möglicherweise auch auf nachfolgende Generationen wirken. Die Epigenetik eröffnet damit neue Perspektiven für das Verständnis von Entwicklung, Gedächtnis, psychischen Erkrankungen und sogar für therapeutische Ansätze.

Das Referat war sehr gut besucht und fand grosses Interesse beim Publikum. Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Johannes Gräff für seinen fundierten und zugleich verständlichen Vortrag, der viele neue Einsichten in die faszinierende Welt der Epigenetik vermittelte.

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